Gemeingut-Infobrief | Krankenhausreform stoppen: Welche Lösungen wir wirklich brauchen

by laura für GiB
7. Februar 2024

Liebe Freundinnen und Freunde der Daseinsvorsorge,

jetzt tritt ein, wovor wir seit langem warnen: Gleich zu Beginn des Jahres wurden ungewöhnlich viele Krankenhausschließungen angekündigt. Über Bayern rollt eine regelrechte Schließungswelle hinweg: In Schongau, Selb, Kemnath, Tirschenreuth, Mainburg und Kösching werden die Krankenhäuser entweder komplett geschlossen oder die Notaufnahmen dichtgemacht. Davon betroffen sind 125.000 EinwohnerInnen. Sie werden eine stationäre Notfallversorgung künftig nicht mehr in 30 Fahrzeitminuten erreichen. Auch fünf Krankenhäuser des thüringisch-bayerischen Klinikverbunds Regiomed befinden sich in einem Insolvenzverfahren, das absehbar zum Abbau von Kliniken führen wird. Das alles ist dramatisch, aber keine Überraschung. Nach Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft fehlen den Krankenhäusern monatlich 504 Millionen Euro. 78 Prozent der Krankenhäuser erwarten für das abgelaufene Geschäftsjahr ein negatives Ergebnis, die Zahl der Insolvenzen droht sich zu verdoppeln.

Die PolitikerInnen in Bund und Land spielen derweil ein verheerendes Spiel: Sie streiten sich um einzelne Punkte der Reform und schieben sich gegenseitig die Schuld für die Schließungen zu. Aber einvernehmlich verlauten sie, dass die Reform kommen muss, um den Kahlschlag zu beenden. Dabei ist sie selbst das Drehbuch für ein Schließungsprogramm in drei Teilen:

1. Das Kahlschlag-Level 1i kommt: Im Rahmen des Krankenhaustransparenzgesetzes werden die sogenannten sektorenübergreifenden Versorger des Levels 1i eingeführt. Damit werden voraussichtlich mehr als 350 Krankenhäuser der Grundversorgung in ambulante Zentren umgewandelt, rund 20 Prozent der stationären Akutversorgung bräche auf einen Schlag weg.

2. Der Entzug von Leistungsgruppen führt zu Schließungen: Künftig dürfen Kliniken nur dann eine bestimmte Behandlung anbieten, wenn ihnen die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde. Das System ist aber so eingerichtet, dass die Leistungsgruppen wegen rigider Mengenvorgaben und zu knapper Finanzierung an möglichst wenige Häuser gehen – mit Schließungen als absehbare Folge.

3. Die Vorhaltefinanzierung ist ein Etikettenschwindel: Genau wie die Fallpauschalen sind die neuen Vorhaltepauschalen an die Fallmengen geknüpft und zu knapp angesetzt, so dass weiterhin Krankenhäuser aufgrund von Unterfinanzierung schließen werden. Zudem wird die Bürokratie durch komplizierte Abrechnungsverfahren vermehrt.

Aktuell blockieren die Länder das erste Reformgesetz im Bundesrat, Lauterbachs Kahlschlagpläne sind also vorerst ins Stocken geraten. Allerdings ist die Blockade vor allem Ausdruck eines politischen Machtkampfes zwischen CDU und SPD, weniger ein Ringen um eine Verbesserung der Reform. Auch die meisten Landesregierungen setzen auf Privatisierung, Kommerzialisierung und Schließungen. Weder der Bund noch die Länder entwickeln tragbare Alternativkonzepte. Dabei ist die Lösung des Problems unkompliziert: Der Umstieg auf Selbstkostendeckung würde genügen, um die Ausgaben der Kliniken vollständig zu finanzieren. Rendite ist in diesem Finanzierungsmodell gar nicht erst vorgesehen, die Krankenhäuser wären für die Privaten endlich unattraktiv.

Im Gegensatz zu den Nebelkerzen und Machtspielchen des politischen Establishments sprechen die BürgerInnen mit klarer Stimme. In einer aktuellen Umfrage von Allensbach gaben 92 Prozent der Befragten an, dass der Staat keinesfalls an der Gesundheit sparen sollte. In diesen Chor stimmen wir ein: Mit der Unterfinanzierung der Krankenhäuser muss endlich Schluss sein! Diese Forderung wird auch unser neuer Kurzfilm unterstreichen, in dem – anders als in den regierungspolitischen Gremien – endlich die Betroffenen zu Wort kommen. Das Budget des Films ist noch zu 20 Prozent ungedeckt, wir freuen uns also über finanzielle Unterstützung. Zum kommenden DRG-Forum – einem der wichtigsten Treffen von Krankenhauslobby und Politik Ende März in Berlin – bereiten wir außerdem eine Überraschung vor. Bleiben Sie mit uns am Ball, es wird spannend!

Mit aktivistischen Grüßen
Laura Valentukeviciute und Jorinde Schulz

 

Zum Originalbeitrag:
https://www.gemeingut.org/gib-infobrief-krankenhausreform-stoppen-welche-loesungen-wir-wirklich-brauchen/