Beitragsfoto: Terri Sharp
Offener Brief an die Landesregierung NRW
Corona-Virusinfektion – statt Demokratie und Wirtschaft mit falschen Annahmen zu zerstören jetzt Regierungsverantwortung für das Richtige übernehmen
Deutschland befindet sich in einem Ausnahmezustand, der so in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht vorgekommen ist. Kindergärten, Schulen, Schwimmbäder, Turnhallen und viele Arbeitsplätze wurden geschlossen; Grund ist die Ausrufung einer Pandemie, die durch einen von führenden Virologen als neu eingestuften Grippe-Erreger verursacht wird. Die Gefährlichkeit des Virus kann zurzeit aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Daten nicht wirklich beurteilt werden.
Bisherige Pandemie-Erfahrung
Im Jahr 2009 wurde die große Angst vor der “Schweinegrippe-Pandemie“ medial inszeniert. Das ist heute vergessen, da nach der ausgebliebenen Katastrophe hierzulande nicht aufgearbeitet wurde, welche Irrtümer bei der Bewertung der H1N1 Grippevirus-Infektion begangen wurden. Die Gefährlichkeit der “Schweinegrippe“ wurde völlig überschätzt; sie verlief schlussendlich milder als viele saisonale Grippen der Vorjahre (lediglich 258 Tote wurden berichtet, im Gegensatz dazu starben z.B. an der Grippe 2017/2018 laut Robert Koch Institut (RKI) 25.000 Menschen). Obwohl von vielen Public Health Experten damals gefordert, hat das RKI es versäumt, eine bevölkerungsbezogene Infektionsepidemiologie aufzubauen. Ein folgenschweres Versäumnis, wie sich aktuell zeigt und was sich so nicht mehr wiederholen darf.
Die ausgerufene Corona-Pandemie
Viele Menschen denken, dass die ergriffenen drastischen Maßnahmen in der neu ausgerufenen Covid-19 Pandemie überzogen sein könnten und fühlen sich ungerechtfertigt in ihrer Freiheit eingeschränkt. Im Gegensatz zu schweren Grippewellen, bei denen Millionen Menschen ernsthaft erkranken und tausende Menschen versterben, wie z.B. im Winter 2017/2018, kennen die allermeisten Menschen im Bekannten- oder Freundeskreis keinen von der Coronavirus-Infektion Betroffenen. Viele Personen, bei denen der von Prof. Drosten, dem Virologen der Charité, entwickelte Covid-19 Test positiv ausfällt, haben keine oder kaum Symptome. Damit ist der bisherige Verlauf der aktuellen Coronavirus-Ausbreitung vergleichbar mit den schon in den 1960er Jahren sehr gut untersuchten Corona-Virus Infektionswellen in der Tecumseh-Studie1 an einer Zufallsstichprobe von Familien in Michigan, USA, und der Centers for Disease Control (CDC) Langzeitstudie2 bei Kindern, wo in den Jahren 1960-1967 bei der Hälfte der Studienteilnehmer mit Corona-Virus positiven Antikörperanstiegen im Blut keine respiratorischen Krankheitssymptome auftraten.
Risikofaktoren beweisgestützt ermitteln – Vorbild Island
Angesichts der absehbaren dramatischen sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen besteht die Notwendigkeit, epidemiologische (epi demos, was über das Volk kommt), also bevölkerungsbezogene Erkenntnisse zur aktuellen Virusprävalenz, zu Neuinfektionen und zu den methodisch korrekt ermittelten Sterberisiken zu gewinnen. Wie diese Evidenz bei der aktuellen Corona-Virusinfektion sehr zeitnah zu bekommen ist, macht uns Island gerade vor.
Auch Deutschland hält am RKI Abteilungen vor, die das Know-how und die technischen Voraussetzungen für die Untersuchung der benötigten großen Zufallsstichproben haben. Der Nationale Gesundheitssurvey und die KiGGS Studie (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland) erheben in regelmäßigen Intervallen Daten zur Häufigkeit chronischer Erkrankungen und deren Risikofaktoren in Zufallsstichproben der gemeldeten Wohnbevölkerung. Umschriebene Erkenntnisse wie z. B. aus der angekündigten Studie zu „Heinsberg“ (Daten zu Übertragungswegen und Dunkelziffer), können die entscheidende Frage nicht beantworten, wie die ausgerufene Covid-19 Pandemie für die Bevölkerung einzuordnen ist, d.h. wie gefährlich die jetzige Corona-Virusepidemie wirklich ist und welche Maßnahmen gegenüber der Gesellschaft und Wirtschaft für wie lange gerechtfertigt werden können und welche eben nicht.
Wir fordern daher die Landesregierung auf, wissenschaftlich verwertbare Covid-19 Testungen (etwa 10.000) zeitnah in NRW durchzuführen:
Die Landesregierung muss sicherstellen, dass diese Testungen im Rahmen von Zufallsstichproben aussagkräftige, vergleichbare und damit wissenschaftlich gesicherte Daten zur Validität und Zuverlässigkeit der angewendeten Tests (Abstriche, RT-PCR und verschiedene serologische Antikörpertests) ans Licht bringen. Im Rahmen dieser Erhebung fordern wir die Landesregierung auf, auch Daten zum natürlichen Verlauf der Erkrankung mit unterschiedlichen Schweregraden, weiteren Risikofaktoren für schwere Verläufe und zur Dynamik der Ausbreitung möglichst umgehend transparent zu machen.
Wir fordern alle Landesregierungen auf, solche notwendigen bevölkerungsbezogenen Zufallsstichproben in den 16 Bundesländern, jeweils etwa 10.000 symptomlose, nicht hospitalisierte Personen aller Altersgruppen, beim Robert Koch Institut (RKI) umgehend in Auftrag zu geben.
Wir fordern die Bundesregierung auf, den Abteilungen des RKI, die für den regelmäßigen Nationalen Gesundheitssurvey und die KiGGS Studie zuständig sind, die angekündigten 200.000 Testkapazitäten und weitere notwendige Ressourcen für die serologische Validierung der Testergebnisse (auch für Kreuzreaktionen mit bekannten humanen Corona-Viren) für die Untersuchungen an Zufallsstichproben in den Bundesländern zur Verfügung zu stellen.
Wir fordern die Landesregierung auf, Auskunft zu erteilen, wie lange es dauern wird, bis die Testergebnisse, die Validierungsergebnisse und die Prävalenz des Erregers von Covid-19 und die verschiedenen Erkrankungsverläufe in der Zufallsstichprobe in NRW ermittelt sind?
Wir fordern von der Landesregierung sofortige umfassende Maßnahmen, um den jetzigen Ausnahmezustand schnellstmöglich zu beenden – jeder Tag zählt!
Wir fordern von der Landesregierung Klarheit über die Eignung bereits für den Pandemiefall eingelagerter Medikamente (Tamiflu und Relenza) und darüber, ob aktuell weitere antivirale Medikamente oder Impfstoffe entwickelt werden.
Wir fordern die Landesregierung auf, umgehend die Ermittlung bevölkerungsbezogener Daten über die tatsächliche Gefahrenlage zu veranlassen und damit wieder handlungsfähig zu werden, um alle nicht evidenz-basierten Maßnahmen sofort beenden zu können.
Im Falle der Nichterfüllung des vorliegenden Antrags würden jetzt und zukünftig keine transparenten und nachvollziehbaren Entscheidungsgrundlagen für die eingeschlagenen weitreichenden Quarantänemaßnahmen und die Lähmung des gesamten öffentlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens vorliegen.
In letzterem Fall fordern wir die Landesregierung auf, die Folgen solcher Intransparenz einzuschätzen und die Höhe der potentiellen langfristigen wirtschaftlichen Schäden zu beziffern. Gleichzeitig möge die Regierung angeben, welche Konsequenzen sie in Bezug auf die soziale und demokratische Rechtsstaatlichkeit (Einschränkungen unserer Freiheits- und Persönlichkeitsrechte – sogar bis zu zwei Jahren wurden schon vorgeschlagen) zu verantworten hat. Wie viele Existenzen werden voraussichtlich vernichtet? Mit welcher Zunahme von Armut rechnet die Landesregierung nach unmittelbarer Beendigung des Lock-down, nach Beendigung des Lock-Down zum 19. April, nach weiteren 3 Monaten, nach weiteren 6 Monaten, nach weiteren 12 Monaten, nach den vorgeschlagenen zwei Jahren?
Ulrich Keil, Dr. med., PhD,
Professor für Epidemiologie und Sozialmedizin, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Burchardt, Dr. phil.
Universität zu Köln
Angela Spelsberg, Dr. med.
Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen, Transparency International, Deutschland
Helga Ebel
Initiative Regionale Krankenhausinfrastruktur erhalten